Prof. Khorchide zu „Gewalt und Islam – Hintergründe und Auswege“
„Der Koran lehnt Gewalt aus religiösen Gründen ab“ – das ist das Fazit der langjährigen Beschäftigung des Islamreformers Mouhanad Khorchide mit dem Koran und der islamischen Theologie. Eine in der Tat verblüffende Aussage, betrachtet man die Realität in muslimischen Gesellschaften, insbesondere im Nahen Osten und die religiös begründeten Terroraktionen von Al Kaida und dem sogenannten IS.
Prof. Khorchide postuliert nicht einfach, er analysiert und fragt danach, wie man heute – im 21. Jahrhundert – mit Suren des Korans aus dem 7. Jahrhundert umzugehen habe, die Gewalt bejahen. Seine Untersuchung setzt auf eine historische Kontextualisierung des Korans, erörtert u.a. die Differenzierung nach mekkanischen und medinischen Suren und deren Bedeutung. Er verweist etwa auf die Bedeutung des heute weitverbreiteten Begriffs „Jihad“ (des „Heiligen Krieges“) im Koran, der – im Kontext gelesen – eine Arbeit an sich selbst in einem spirituellen Sinne, einen Prozess der spirituellen Selbsterkenntnis meine und keineswegs des Liquidierung andersdenkender Muslime oder sogenannter Ungläubiger.
Khorchide: „Wie könnte ein Krieg heilig sein?“
Khorchide mahnt, sich nicht in die Gesellschaft von Extremisten (Salafisten, Wahhabiten) und ihres Pendants (bestimmter Islamkritiker und Islamphober) zu begeben, die beide den Koran auf höchst selektive Weise „auslegen“. Als ein Beispiel nennt er: Beide Gruppen würden – übereinstimmend – stets etwa aus Sure 2 den 191. Vers zitieren: „Und tötet sie (die Ungläubigen), wo immer ihr auf sie stoßt….“, um damit die religiöse Gewalttätigkeit gegen sogenannte Ungläubige zu legitimieren bzw. „den Islam“ als gewalttätig zu denunzieren. Verschwiegen würde aber von beiden Gruppen der Zusammenhang der Verse 190 bis 192, aus dem sich ergäbe, dass es sich eine Koranaussage zu Verteidigungsmaßnahmen der Anhänger Muhammeds gegen einen Angriff auf sie handele, die zudem eingestellt werden müssten, wenn der Angriff beendet sei (und die zugleich ein Übermaßverbot enthielten).
Mit einer Reihe von theologischen Begründungen unter Bezug auf den Koran deutet Khorchide einen humanistischen menschenrechtlich orientierten Islam an, der sich vom bekannten Mainstream-Islam unterscheidet, aber sich durchaus auf theologischeTraditionen seit über 1000 Jahren berufen kann.
Wer sich mit „dem Islam“ beschäftigt, als Politiker*in, als interessiert/e Bürger*in sollte die Ausführungen des Reformers Khorchide verfolgen. Es eröffnet sich ein interessanter Ausblick auf Strategien im Kampf gegen islamistischen Terror, Salafisten, Wahhabiten und ähnliche sowie auf notwendige politische Maßnahmen.
Mouhanad Khorchide hat Anfang Juli in einer Veranstaltung der Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags seine Sicht der Dinge ausführlich dargestellt. Seine Ausführungen können auf einem Video des Wissenschaftlichen Dienstes nachverfolgt werden: