Stellungnahme der LAG Säkulare Grüne zur Finanzierung des Kirchentages in Berlin 2017

Logo_BAK_Saekulare_Gruene_kleinNach Bekanntwerden des Beschlusses des Hauptausschusses der Berliner Abgeordnetenhauses am 22. April 2015, den Kirchentag in Berlin zu fördern, hat unsere LAG angesichts der Ablehnung in Münster und der Debatte in Leipzig über die Kirchentagsfinanzierung diskutiert.

Wir betonen, dass in einer Stadt mit einer so großen religiösen, weltanschaulichen und kulturellen Vielfalt wie Berlin Dialoge jederzeit förderungswürdig sind. Aber eben Dialoge und pluralistische Veranstaltungen wie der Karneval der Kulturen, die Lange Nacht der Religionen und nicht die Großveranstaltung einer einzelnen Religionsgemeinschaft.

Hier die Stellungnahme im Wortlaut:
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Der Evangelische Kirchentag 2017 sollte von der Kirche selbst finanziert werden – nicht vom Staat

Der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag wird vom 24. bis 28. Mai 2017 in Berlin stattfinden. Diese Veranstaltung wird voraussichtlich 23 Millionen Euro Kosten verur­sachen.

Allein das finanzschwache Land Berlin steuert für die Jahre 2016 und 2017 Förder­mittel in Höhe von insgesamt 8,4 Millionen Euro bei. Aus Brandenburg kommt noch eine weitere Millionen Euro hinzu. Der Bund fördert die Großveranstaltung mit 2,5 Millionen Euro. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bringen damit rund 11,9 Millionen Euro für diese Kirchenveranstaltung auf, mehr als die Hälfte der Gesamtkosten.

Berlin ist mit 60 Milliarden Euro hoch verschuldet. In vielen äußerst wichtigen Be­reichen der Sozial- und Jugendarbeit, der Bildung und Kultur sind in der Vergangen­heit aufgrund der Verschuldung einschneidende Kürzungen vorgenommen worden, mit weiteren Kürzungen ist zu rechnen.

Viele Einrichtungen und Förderprogramme liegen darnieder, weil im Einzelfall oftmals nur wenige tausend Euro fehlen. Es bedarf einer starken Rechtfertigung, in diesen Bereichen Mittel zu streichen und zugleich einen Kirchentag zu finanzieren. Eine solche Rechtfertigung ist auch nicht annähernd vom Senat vorgetragen worden.

Fragwürdig ist die öffentliche Finanzierung von evangelischen und katholischen Kirchen­tagen auch deshalb, weil beide Religionsgemeinschaften nicht zuletzt durch Kirchensteuern und Staatsleistungen, Finanzprivilegien sowie eine Reihe weiterer – oftmals wenig transparenter – Zuwendungen öffentlicher Stellen in der Lage sind, ihre Kirchentage mit eigenen Mitteln zu finanzieren. Die öffentliche Hand sollte nur da Zuschüsse gewähren, wo es keine anderen Möglichkeiten der Finanzierung gibt. Auch das ist eine Konsequenz eines richtig verstandenen Subsidiaritätsprinzips

Die Förderung der Veranstaltung einer einzelnen Religionsgemeinschaft muss sich zudem am Gleichbehandlungsgrundsatz messen lassen. Es ist nicht ersichtlich, dass hier eine Gleichbehandlung mit anderen zivilgesellschaftlich wichtigen Akteuren aus dem Bereich der Religionen und Weltanschauungen gegeben ist.

Die politische Begründung des Senats lautet unter anderem: „Kirchentage sind Orte religiösen, sozialen und politischen Dialogs. Von ihnen gehen wichtige Impulse für gesellschaftliches und politisches Engagement aus. Schwerpunkte der Berliner Ver­anstaltung sollen interreligiöse und interkulturelle Themen sein. Nicht nur evange­lische Christen, sondern auch Angehörige anderer Religionsgemeinschaften werden teilnehmen. Das fügt sich ein in den 2011 von der Senatskanzlei erfolgreich initiierten und moderierten „Dialog der Religionen“, der im Bundesvergleich einzigartig ist“ (Pressemitteilung des Senats vom 31. April 2015).

Genau dieser interreligiöse Dialog wird vom Land Berlin eben nicht (mehr) aus­reichend gefördert. So wurde zum Beispiel die „Lange Nacht der Religionen“, an der weit über 100 verschiedene Basisgemeinden und jährliche tausende Besucher*innen teilnehmen, seit 2014 nicht mehr finanziell gefördert und ist auf Spenden ange­wiesen. Auch die zweijährige „Anschubfinanzierung“ war nur ein verschwindender Bruchteil der Summe, die nun für die Veranstaltung einer einzelnen Religions­gemeinschaft ausgegeben werden soll.

Es ist zwar richtig, dass Kirchentage immer auch Orte des Dialogs sind. Aber wird eine – bestenfalls lediglich erweiterte – Ökumene innerhalb der abrahamitischen Reli­gionen (Christentum, Judentum und Islam) wirklich der gesellschaftlichen Vielfalt reli­giöser, konfessionsfreier, weltanschaulicher und politischer Haltungen gerecht? Kon­fessionsfreie, Angehörige kleiner Religionsgemeinschaften und andere werden gerade auf Kirchentagen regelmäßig außen vor gehalten.

Veranstalter echten interreligiösen Dialogs können daher nur interreligiöse Ver­einigungen wie zum Beispiel das Weltparlament der Religionen sein, keine einzelne Vereinigung.

Es ist selbstverständlich das Recht der christlichen Kirchen, sich ihre Gesprächs­partner*innen auszusuchen. Sie können aber dann nicht mit dem Argument des brei­ten gesellschaftlichen Dialogs die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in die finanzielle Pflicht nehmen. Mit ihrem Anteil von nur rund 18 Prozent der Ein­wohner*innen in Berlin hat die Evangelische Kirche ihren Charakter als „Volkskirche“ längst verloren. Sie ist eine wichtige zivilgesellschaftliche Institution. Ein Grund für eine derart überdimensionierte Privilegierung besteht jedoch nicht. Einen missionarischen Ansatz mit zu finanzieren ist auch nicht Aufgabe eines neutralen Staates.

Kirchen haben selbstverständlich wie andere Organisationen der Zivilgesellschaft das Recht, Großveranstaltungen zu organisieren, auf diese Weise Mitglieder an sich zu binden und öffentlich für sich zu werben. Die öffentliche Hand sollte ihnen dabei durchaus zur Seite stehen und beispielsweise Sachleistungen, etwa in Form kosten­loser logistischer Unterstützung anbieten. Dabei muss der Gleichbehandlungsgrund­satz aber gewahrt bleiben. Die finanzielle Belastung muss immer und gerade bei direkten Finanzhilfen besonders begründet und zudem angemessen sein, was eine ausreichende Offenlegung und Transparenz eines Kostenplanes voraussetzt.

Wir begrüßen es sehr, dass es wegen der Finanzierung von Kirchen- bzw. Katholiken­tagen in Münster und in Leipzig kritische Debatten in den jeweiligen Stadt­parlamenten gegeben hat. Von daher ist es überaus bedauerlich, dass der Haupt­ausschuss der Berliner Abgeordnetenhauses am 22. April 2015 den Subventions­plänen des Senats zugestimmt hat. Wir bedauern, dass neben den Koalitions­fraktionen auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zugestimmt hat. Es genügt nicht, im Ausschuss einige kritische Fragen zu stellen, letztlich aber doch einer kritischen Auseinandersetzung mit den Kirchen aus dem Wege zu gehen.

Wir ermuntern daher den Berliner Landesverband Bündnis 90/Die Grünen, die bisher nicht geführte Diskussion über den Evangelischen Kirchentag 2017 und seine Finan­zierung nunmehr nachzuholen und eine gemeinsame politische Haltung zu erarbei­ten. Die fehlende Transparenz des bisherigen Verfahrens bei der Finanzierung muss dabei ebenso Thema sein wie die Frage der Gleichbehandlung anderer vergleichba­rer großer Events mit anderen religiösen oder weltanschaulichen Veranstalter*innen, die nicht von den beiden christlichen Kirchen unterstützt oder getragen werden.

Gudrun Pannier LAG Sprecherin

Jürgen Roth LAG Sprecher

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