Bündnis 90/Die Grünen Berlin

Sonn- und Feiertage – Eine Positionsbestimmung des AK Säkulare Grüne Berlin

Bündnis 90/Die Grünen Berlin

In der letzten Sitzung hat der AK Säkulare Grüne in Berlin nach intensiver Vorarbeit eine Positionsbestimmung zu Sonn- und Feiertagen beschlossen.

In den Diskussionen war uns allen – religionsfreien und religiösen Mitgliedern – wichtig, eine gemeinsame und vor allem sozial- und familienpolitisch verträgliche Lösung zu finden. Die säkulare Auffassung über die Gestaltung gesellschaftspolitischer Regelungen erwies sich für uns als gemeinsame und tragfähige Basis.

Wir freuen uns darauf, mit den Mitgliedern anderer Landes-AKs, des Bundes und natürlich mit allen anderen Interessierten weiter zu diskutieren.

Eine pdf-Version stellen wir zum download zur Verfügung.

Hier das Positionspapier im Wortlaut:

-Leitgedanken zu Sonn- und Feiertagen-

1. Sonntage und gesetzliche Feiertage sind in Deutschland als den Lebensrhythmus strukturierende Tage der Arbeitsruhe, der Erholung sowie des familiären und sozialen Miteinanders gesellschaftlich allgemein akzeptiert.

2. Durch ihre Festlegung als (arbeitsfreie) Sonntage und gesetzliche Feiertage begründen sie in starker Weise den Anspruch von Arbeitnehmer_innen auf bezahlte Freistellung von der Arbeit. Eine Beschäftigung von Arbeitnehmer_innen an Sonn- und Feiertagen ist gesetzlich grundsätzlich ausgeschlossen und somit der Dispositionsbefugnis von Arbeitgeber_innen entzogen. Die Arbeitsbefreiung muss nicht individuell von den Arbeitnehmer_innen ausgehandelt werden. Dieser erreichte sozialpolitische Standard darf auf keinen Fall beeinträchtigt werden. Ausnahmen von der Arbeitsbefreiung sind nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zuzulassen.

3. Hinsichtlich der Sonn- und der nicht politisch begründeten gesetzlichen Feiertage gilt, dass ihre religiöse Sinngebung nur noch eine geringe, verblassende Bedeutung hat. Dies muss bei der Ausgestaltung der „stillen Feiertage“ berücksichtigt werden. Eine über den allgemeinen Sonntagsschutz hinausgehende Berücksichtigung religiös begründeter Sonderwünsche auf Einschränkung der Freizeitbetätigungen der gesamten Bevölkerung ist angesichts einer gesellschaftlichen Entwicklung, in der Gottesdienstbesucher_innen nur noch eine verschwindende gesellschaftliche Minderheit bilden, nicht hinnehmbar. Es gibt keine Begründung dafür, dass eine Minderheit der Mehrheit die Beachtung ihrer kultischen Regeln aufzuerlegen berechtigt wäre.

4. Da die religiöse Sinngebung von Feiertagen gesellschaftlich kaum noch von Bedeutung ist, sind Änderungen hinsichtlich der Feiertage aus gesellschaftspolitischen Gründen nicht zwingend erforderlich. Ostern, Pfingsten und Weihnachten haben zudem bereits vorchristliche (jedoch weithin verdrängte) Wurzeln und orientieren sich am Lauf von Sonne und Mond sowie jahreszeitlich bedingten Entwicklungen in der Natur (Frühlings- und Sommerbeginn, Wintersonnen-wende), so dass sie bereits deshalb nicht auf „christliche“ Feiertage reduziert werden dürfen.

5. Ein Änderungsbedarf hinsichtlich dieser Feiertage aus Gründen der Akzeptanz in einer weltanschaulich pluralistischen Gesellschaft ist nicht ersichtlich.

6. Hinsichtlich weiterer christlicher Feiertage besteht kein aktueller Änderungsbedarf, da sie ihren religiösen Charakter weitgehend verloren haben (etwa „Himmelfahrt“ = „Herren-tag“ / „Vatertag“).

7. Relevante gesellschaftliche Initiativen zur Schaffung säkularer, den weltanschaulichen Pluralismus in Deutschland berücksichtigender Feiertage sind gegenwärtig nicht zu beobachten. Perspektivisch kann sich dies aber durchaus ändern. Eine sich weiter säkularisierende pluralistische Gesellschaft wird auch nach Feiertagen verlangen, die integrativ wirken und nicht von einem bestimmten religiösen Bekenntnis abhängen.

8. Eine Begründung neuer religiös begründeter Feiertage verbietet sich schon wegen des rapiden Rückgangs der Bedeutung religiöser Lehren in der Gesellschaft und ist nicht akzeptabel.

9. Die bisherigen in Deutschland geltenden Regelungen hinsichtlich religiös begründeter gesetzlicher Feiertage privilegieren die christlichen Religionsgemeinschaften und – seit Inkrafttreten einiger Staatsverträge – Muslime und Aleviten.
Die darin liegende Diskriminierung anderer Religionen und Weltanschauungen ist umgehend zu beenden.

10. Um Diskriminierungen von Religionen und Weltanschauungen bezüglich der Begehung ihrer Feiertage zu beseitigen, orientieren die Säkularen Grünen auf ein Modell, das sämtlichen Arbeitnehmer_innen (neben den gesetzlichen Feiertagen) eine bestimmte Anzahl von Arbeitsbefreiungen garantiert, um religiösen und weltanschaulichen Bedürfnissen nachgehen zu können. Arbeitgeber_innen dürfen Arbeitnehmer_innen für diese Tage beantragte Arbeitsfreistellungen nur in begründeten Ausnahmefällen verweigern.

11. Diese Arbeitsbefreiungen sind durch Vor- oder Nacharbeit oder auf sonstige Weise (Verrechnung auf Arbeitszeitkonten) auszugleichen, hinreichend rechtzeitig den Arbeitgeber_innen anzumelden, ohne allerdings eine Religions- oder Weltanschauungszugehörigkeit angeben zu müssen.

12. Für die Befreiung vom Schulunterricht soll Entsprechendes gelten.

Gudrun Pannier und Jürgen Roth
Sprecher_innen des Arbeitskreises Säkulare Grüne Berlin

Walter Otte
Sekretär des Arbeitskreises und Bundessprecher

Berlin, April 2014