Vollversammlung der Säkularen Grünen am 1. März stimmt für die Abschaffung des besonderen Kirchlichen Arbeitsrechts
Einstimmig hat die 4.Vollversammlung des Bundesweiten Arbeitskreises Säkulare Grüne am 1. März in Kassel dafür votiert, das besondere Kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland abzuschaffen. Damit soll die Schlechterstellung der rund 1,2 Millionen Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen gegenüber den Beschäftigten in anderen karitativen und Bildungseinrichtungen beendet werden.
Eine massive Einschränkung von Grundrechten nur deshalb, weil der Arbeitgeber institutionell „den Kirchen“ zuzuordnen ist, ist in einer modernen pluralistischen Gesellschaft angesichts der überragenden Bedeutung der Menschenrechte ein Anachronismus. Kirchliche „Werte“, die auf die Begründung und das Aufrechterhalten von menschenrechtseinschränkenden Verhältnissen hinauslaufen, sind gesellschaftlich nicht akzeptabel.
Außerdem hat die Vollversammlung die „Osnabrücker Initiative“ positiv gewürdigt und in einem Beschluss sämtliche Grüne aufgerufen, in ihren Kommunen diese Initiative bekannt zu machen und auf die Herbeiführung entsprechender Beschlüsse zu orientieren.
Ein Arbeitskreis zum Kirchlichen Arbeitsrecht und zur „Osnabrücker Initiative“ wird innerhalb der Säkularen Grünen federführend zu dieser Thematik arbeiten. Dem Arbeitskreis gehören u.a. an:
Ingo Heise (LAG Sprecher Säkulare Grüne Hessen), Felix W. Wurm (Initiator des Osnabrücker Ratsbeschlusses, KV Osnabrück), Carsten Berger (KV Berlin/Steglitz-Zehlendorf) und Walter Otte (Sprecher des Bundes-AK Säkulare Grüne).
Walter Otte
Die Beschlüsse der Vollversammlung des Bundesweiten Arbeitskrei-ses Säkulare Grüne im Wortlaut:
Beschluss zum Kirchlichen Arbeitsrecht
Sämtliche Sonderrechte von Kirchen (und allen anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften) sowohl im Individualarbeitsrecht (Einhaltung sogenannter Loyalitätsobliegenheiten) als auch im Kollektivarbeitsrecht (Koalitions- und Streikfreiheit betreffend) sind abzuschaffen.
Die Regelung des Paragraf 118 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes, wonach das Gesetz keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen (unbeschadet ihrer Rechtsform) findet, ist aufzuheben. Entsprechende Änderungen sind im Sprecherausschussgesetz und in den Personalvertretungsgesetzes des Bundes und der Länder vorzunehmen.*
*Das bedeutet, dass kirchliche Einrichtungen, wie sämtliche karitativen und erzieherischen Einrichtungen in Deutschland gem. Paragraf 118 Abs. 1 BetrVG, „Tendenzbetriebe“ werden. Während gegenwärtig jede(r) Arbeitnehmer*in in kirchlichen Einrichtungen „Tendenzträger*in“ ist, wird mit der Änderung eine Einschränkung des Kreises der „Tendenzträger*innen“ erreicht. Die Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen werden den Beschäftigten in weltlichen Einrichtungen gleichgestellt.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist dahingehend zu ändern, dass eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmer*innen nicht mit dem „Selbstbestimmungsrecht“ der jeweiligen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft begründet werden darf, sondern nur in Hinsicht auf die Art der konkret ausgeübten Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung. Es sollte eine gesetzliche Regelung herbeigeführt werden, wonach ein Verstoß gegen eine Loyalitätsobliegenheit nur dann geeignet ist, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn der / die betroffene Arbeitnehmer*in eine verkündigungsnahe Tätigkeit ausübt.
Hinsichtlich Koalitionsfreiheit und Streikrecht ist politisch deutlich zu machen, dass die sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebenden Einschränkungen der Rechte der Arbeitnehmer*innen in kirchlichen Betrieben nicht akzeptabel sind und nicht hingenommen werden dürfen.
Eine besondere Gerichtsbarkeit der Kirchen ist abzuschaffen; sämtlichen Beschäftigten der Kirchen und kirchlicher Einrichtungen muss der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten offenstehen.
Kassel, 01. März 2014
Beschluss zur Osnabrücker Initiative:
Die 4. Vollversammlung des Bundesweiten Arbeitskreises Säkulare Grüne begrüßt den Beschluss des Rates der Stadt Osnabrück vom 12.11. 2013.
Mit diesem Beschluss wird vom Bundesgesetzgeber die Abschaffung des diskriminierenden Sonderarbeitsrechts in kirchlichen Einrichtungen gefordert. Die Stadtverwaltung Osnabrück wurde außerdem beauftragt, mit den Trägern kirchlicher Einrichtungen in Osnabrück in einen Dialog einzutreten, damit diese bei bestehenden Verträgen freiwillig auf ihre Sonderrechte verzichten. Zudem wurde die Verwaltung beauftragt, zu prüfen, ob in künftigen Verträgen mit sämtlichen externen Trägern Vereinbarungen zur Gewährleistung der uneingeschränkten Arbeitnehmer*innenrechte getroffen werden können.
Die Vollversammlung dankt der Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN im Rat der Stadt Osnabrück für deren Initiative zur Herbeiführung dieses bundesweit richtungweisenden Beschlusses.
Die Vollversammlung hält es angesichts der Bedeutung des (rund 1,2 Millionen) Arbeitnehmer*innen diskriminierenden Sonderarbeitsrechts im Bereich der Kirchen für dringend geboten, das „Kirchliche Arbeitsrecht“ abzuschaffen und über diese Zielsetzung auch eine breite gesellschaftli-che Debatte zu führen. Die „Osnabrücker Initiative“ ist in hervorragender Weise zur Herbeiführung dieser Debatte geeignet.
Die Vollversammlung bittet alle grünen Kommunalpolitiker*innen, in ihren jeweiligen Kommunen die „Osnabrücker Initiative“ in die Diskussion zu bringen und, wo möglich, entsprechende Beschlüsse herbeizuführen.
Kassel, 01. März 2014